Der Herbst ist definitiv nicht meine liebste Jahreszeit, wohl aber meine liebste Zeit für Reisen. Wenn in Wien der goldene Oktober langsam in den grauen November übergeht, packt mich jedes Jahr die Sehnsucht nach Strand, Meer und dolce vita. Noch einmal Sonne tanken, vielleicht einen kurzen Sprung ins Wasser machen, die Batterien für den Winter aufladen. Nur mit dem Nötigsten im Gepäck habe ich mich also Mitte Oktober kurzentschlossen in den Flieger nach Brindisi gesetzt. Mein Reiseziel: der Absatz des italienischen Stiefels.
Die Küsten der Peninsula Salentina werden von zwei Meeren – der Adria und dem Ionischen Meer – umspült. Das rieche ich schon beim ersten tiefen Atemzug nach der Landung. Auf der Zugfahrt von Brindisi nordwärts fahre ich Kilometer für Kilometer durch Olivenhaine. Vorbei an Trulli, den für die Region typischen kegelförmigen Rundhäusern. Ab und zu taucht eine weißgetünchte Masseria am Horizont auf, eines jener herrschaftlichen Gutshäuser, von denen die meisten mittlerweile zu Edel-Absteigen für Touristen umgebaut worden sind – die perfekte Mischung aus shabby und chic, Top-Gastronomie inklusive.
Es gibt viele Orte in Apulien, die ich gerne besichtigt hätte, allen voran Lecce, Monopoli, Alberobello und Polignano a Mare. Und natürlich Matera, die eindrucksvolle Höhlenstadt, in der benachbarten Region Basilikata. Weil die verfügbare Zeit aber kurz ist und die Erholung nicht zu kurz kommen soll, beschränke ich mich diesmal auf Ostuni, das weiße Barockjuwel im Itria-Tal.
Hier finde ich auch genau das, was ich gesucht habe: ein Fleckchen Italien, das perfekt in jedes Klischeebild passt. In den Parks und auf den Piazze kommen die üblichen Runden älterer Herren zusammen, meist in Dreiergruppen diskutieren sie heftig gestikulierend über Gott und die Welt – also vermutlich über Politik und Fußball. Ältere signore hängen ihre Wäsche in den engen Gässchen auf, grüßen höflich, bevor sie wieder hinter dem Perlenvorhang verschwinden.
Die Jungen sind von dolce far niente im Oktober aber weit entfernt. Hier dreht sich um diese Jahreszeit alles um die Olivenölherstellung. Nicht umsonst trägt die Stadt auch den klangvollen Beinamen „Königin der Olivenbäume“. Die olivi im Salento sind tatsächlich herrschaftlich: manche von ihnen sind schon tausend Jahre in und mit der Landschaft verwurzelt. Ihre krummen, gewundenen Stämme zeugen von einem lebenslangen Kampf gegen die Elemente.
Das Olivenöl ist das flüssige Gold der Region: Apulien gilt als wichtigstes Produktionsgebiet Italiens. Das kleine Fläschchen olio novello aus eigener Produktion, das mir mein Air BnB-Host bei meiner Ankunft stolz überreicht, werde ich in den kommenden Tagen fast vollständig aufbrauchen. Schon morgens zum Frühstück tauche ich meine Ciabatta darin ein, dazu ein paar Kaktusfeigen und Straciatella-Käse. Meine tägliche Dosis foccacia hole ich mir jeden Morgen frisch aus der Bäckerei forno 31, wo man stolz auf den Backofen aus dem 19. Jahrhundert ist. Zum Cappuccino geht es mit Fruttone Leccese, einer mit Mandelcreme und Quittenmarmelade gefüllten Spezialität der Region, weiter. Apulien ist für abwechslungsreiche cucina povera bekannt, an Fisch und Meeresfrüchten kommt man kaum vorbei. Und die Hülsenfrüchte aus der Altamura-Region sind tatsächlich so gut, dass ich nicht anders kann, als mehrere Packungen davon mitzunehmen. Zum Glück reise ich ja mit leichtem Gepäck.
Keine Frage, ich hätte es in Ostuni auch ein paar Wochen ausgehalten. Auch wenn in den Morgenstunden schon ein dichter Nebelschleier über der Stadt liegt, der sich erst am späten Vormittag lichtet. Die Sonne lässt dann zum Glück zeitweise vergessen, dass das Jahr nicht mehr allzu lang ist. In Villanova, dem nächstgelegenen Ort direkt am Meer, genieße ich zum Abschied noch einen Nachmittag lang die Nachsaison-Tristezza, beobachte Fischer, wie sie Tintenfische am steinigen Ufer weich schlagen und Einheimische beim entspannten Sonnenbaden. Die ristoranti haben hier längst geschlossen, einzig in der gelateria wartet man noch auf Gäste. Aber Eis hatte ich schon genug und Abschiede schmecken selten süß.
Epilog: Apulien im Lauf der Jahreszeiten
Susann und Yannic von Krautkopf waren vergangenes Jahr über Weihnachten in Apulien, Saghar Setareh von Lab Noon diesen Sommer. Wenn ich die Zeit finde, schaue ich nächsten Frühling vielleicht auch wieder vorbei.
oh wie wunderschön! da bekomme ich tatsächlich sofort lust meine koffer zu packen :) apulien steht auch schon lange auf meiner liste, obwohl ich persönlich lieber im sommer fahren würde. wegen baden gehen und so… lg, fee
dann fahr doch im september, dann ist es nicht mehr ganz so heiß und du hast weniger touris :)
Was für ein toller Bericht, was für wunderschöne Bilder. Wäre es mit den Urlaubstagen nicht so knapp, würde ich direkt losfahren…
war echt ganz toll, kann ich echt nur wärmstens empfehlen :)
wie schön, danke fürs Mitnehmen!
Wir waren 2x ausgiebig in Apulien im beginnenden Frühling, allerdings sind oft nicht viele Hotels und Lokale offen. Ostuni war ziemlich kalt ;-)
ja, außerhalb der hauptsaison sind viele lokale und shops geschlossen. hat mich aber nicht gestört. dafür ist auch weniger trubel. besonders warm war es jetzt im oktober in ostuni wirklich nicht mehr, außer um die mittagszeit. war aber trotzdem noch im meer, das kühlt nur relativ langsam aus. mal sehen, ob ich mich nächstes jahr im frühling auch trau :)
Unerklärlicherweise hab ich grad eine Mordslust, nach Italien zu verreisen … ;-)
Danke für den schönen Bericht und die tollen Bilder!
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
und was spricht gegen einen kleinen kurzurlaub? aus zürich ist es ja nicht sooo weit :)
ach, apulien! ich habe unsere rundreise vor ein paar jahren noch in allerbester erinnerung, sind mit dem auto die küste entlang gefahren. die strände, das essen – echt ein ganz tolles fleckchen erde! lg, m
da gebe ich dir absolut recht! :)